Man nimmt an, dass etwa 2 – 3 % der Bevölkerung an einer Zwangsstörung leidet. Die Erkrankung ist bei Frauen und Männern gleich häufig.
Der Begriff „Zwang“ wird von uns im Alltagsgebrauch sehr viel weiter verwendet, als es der psychiatrischen Definition entspricht. In den heute gültigen psychiatrischen Klassifikationssystemen wird die Erkrankung den Angststörungen zugeordnet.
Zwangsstörungen sind neueren Untersuchungen zufolge mit einer Lebenszeitprävalenz von zwei bis drei Prozent wesentlich häufiger als früher angenommen. Nach den phobischen, substanzinduzierten und depressiven Störungen handelt es sich um die vierthäufigste psychiatrische Erkrankung. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Meist manifestiert sich die Erkrankung in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter, nicht selten auch schon in der Kindheit. Eine Erstmanifestation nach dem 40. Lebensjahr ist hingegen selten.
Die Symptomatik der Zwangsstörung setzt sich aus Zwangsgedanken (engl. Obsessions) und/oder Zwangshandlungen (engl. Compulsions) zusammen, die so ausgeprägt sind, dass sie vom Patienten oder seinem Umfeld als belastend erlebt werden. Häufig sind die Zwänge für die Patienten schon allein durch den mit ihnen verbundenen Zeitaufwand in hohem Maße beeinträchtigend.
Wichtige Hinweise zur Behandlung
- Wichtig ist die frühestmögliche Inanspruchnahme von Behandlung, da eine lange Krankheitsdauer die Prognose bekanntermaßen verschlechtert
- Konfrontationsbehandlung sollte im natürlichen
- Umfeld des Patienten erfolgen
- Behandlung z.T. mehrfach pro Woche (2-3 Mal)
- Notwendigkeit von verlängerten Übungen, Habituation
- Ausblenden der Hilfestellung des Therapeuten
- Anleitung des Patienten zu kontinuierlicher Übung
- Behandlung von Komorbiditäten
- Ergänzende therapeutische Maßnahmen im Bereich eines sozialen Kompetenztrainings, Verbesserung der Kommunikation, Soziotherapie
- Psychoedukation für Patienten und Angehörige
Behandlung bei Zwangsstörung
Die Beurteilung des Therapieerfolges sollte nicht früher als nach acht bis zwölf Wochen unternommen werden. Häufig lässt sich auch unter der höchsten verträglichen Dosierung nur eine Reduktion und nicht ein völliges Sistieren der Zwänge erreichen.
Bei Patienten ohne ausreichendes therapeutisches Ansprechen hat sich der Wechsel auf das trizyklische Antidepressivum Clomipramin bewährt. Aufgrund der schlechteren Verträglichkeit gegenüber den SSRIs wird jedoch eine Therapie mit Trizyklika nur als zweite Wahl empfohlen.
Bei Therapieresistenz besteht die Möglichkeit der Augmentation der antidepressiven Therapie mit atypischen Antipsychotika (etwa Risperidon), nicht jedoch mit typischen Neuroleptika. Ein solches Vorgehen empfiehlt sich vor allem bei Komorbidität mit einer Tic-Störung oder bei psychotischen Symptomen (dann manchmal als schizoobsessive Erkrankung bezeichnet).
Allerdings gibt es für eine antipsychotische Therapie lediglich Evidenz aus offenen Studien oder Fallserien. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es weiters kasuistische Belege für die Wirksamkeit von Clonidin (sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Clomipramin) und des Benzodiazepins Clonazepam.
Psychotherapie
Klassische verhaltenstherapeutische Techniken wie Exposition mit Reaktionsverhinderung (gedankliche Vorstellung des unangenehmen Stimulus, systematische Desensibilisierung, Flooding) können bei Patienten, die hauptsächlich unter Zwangshandlungen leiden, zur Anwendung gebracht werden.
Lerntheoretische und kognitive Modelle der Entstehung von Zwangsstörungen sind von großer therapeutischer Bedeutung: Es wird angenommen, dass durch die Bindung eines ursprünglich neutralen Gedankens an einen angstbesetzten Stimulus dieser Gedanke selbst eine angstbesetzte Komponente erhält.
Zwangshandlungen sind durch Implementierung des „magischen Denkens“ („Wenn ich eine Handlung durchführe, dann hat das Auswirkungen auf einen anderen Bereich“) ein Versuch der Angstbewältigung. Sie treten damit an die Stelle der Angst, und bei ihrer Unterlassung kommt es zu einem Wiederauftreten von innerer Spannung.
Gedankenstopp-Techniken hingegen sind eine wirksame Möglichkeit zur Kontrolle von Zwangsgedanken. Kognitiv-behaviorale Therapie führt bei etwa 60 bis 70% der Patienten zu einer deutlichen Verbesserung der Zwangssymptomatik.
Für eine schwer ausgeprägte Zwangssymptomatik gilt eine kombinierte Therapie von Medikamenten und Kognitiver Verhaltenstherapie als Standard; ggf. zunächst auch alleinige medikamentöse Therapie und kognitive Verhaltenstherapie dann, wenn durch die Medikamente eine gewisse Besserung eingetreten ist.